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Liebe Leserinnen und Leser,

 

als Dieter Lugert mir während der Bundesschulmusikwoche 1998 in Potsdam anbot, eine wissenschaftliche Vierteljahresschrift aufzubauen und sie als Schriftleiter zu betreuen, machte ich mir nicht allzu viele Illusionen über die Lebenserwartung einer solchen Zeitschrift. Die musikpädagogischen Zeitschriften, die es gab, hatten ihre Erscheinungshäufigkeit reduziert. Sie hatten Mühe, wirtschaftlich zu existieren, und sie tendierten immer mehr dazu, Unterrichtshilfen für den nächsten Tag zu produzieren. Die Leserschaft, welche die Fachzeitschriften für den Musikunterricht anzusprechen sich bemühten, hatte wenig Neigung und auch immer weniger Zeit, sich mit dem Nachdenken über den Beruf, über neue Konzepte und Methoden zu beschäftigen – verglichen mit der Aufbruchsstimmung in den Anfangsjahren der Zeitschrift „Musik und Bildung“ und der „Zeitschrift für Musikpädagogik“. Zwei Gründe vor allem waren und sind es wohl, die den Reflexionsbedarf und die Reflexionsneigung vermindert haben: der wachsende Trend zum „Musik machen“ und die enorm gewachsene Belastung der Lehrerinnen und Lehrer mit Aufgaben und Beanspruchung außerhalb der eigentlichen Unterrichtstätigkeit. So ist die Nachfrage zur schnellen Anwendung und Übernahme von konkreten Angeboten für den Unterricht verständlicherweise erheblich gewachsen. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur an den Zeitschrift-Konzepten, sondern auch an den Schulbüchern, die heutzutage angeboten werden.
Umso erfreulicher und verwunderlicher ist es, dass „Diskussion Musikpädagogik“ mit ihren 50 Ausgaben ein kleines Jubiläum feiern kann. Das scheint mir umso berechtigter, als die Zeitschrift in ihrem Bestand immer wieder gefährdet war. Als jedoch Hildegard Junker und ihr Verlag die Zeitschrift vom Verbund  Lugert- und Friedrichverlag übernahm, zog mit begeistertem Engagement der Herausgeberin und mit wachsender Treue von Lesern und Schreibern eine relative Stabilität in die Verlagsräume ein. 
Besonders freue ich mich, dass sich in unserer „Jubiläumsausgabe“ Autorinnen und Autoren der ersten Stunde zu Wort melden. Alle, die ich um einen Beitrag bat, haben zugesagt. Die Tatsache, dass wir diesmal keine Themenvorgabe gemacht haben, hat den Vorteil, dass sich in unserem Jubiläumsstrauß eine bunte und persönliche Themenmischung zusammen gefunden hat.
Es ist uns gelungen, unseren Leserinnen und Lesern in der „DMP 50“ ein besonderes Präsent anzubieten. Zwei Kollegen aus den Nachbarkünsten haben für diese Ausgabe einen Beitrag geschrieben, der die Verwandtschaft zur Musikpädagogik betont: der Literaturdidaktiker Kaspar-H. Spinner (Augsburg) und der Kunstdidaktiker Johannes Kirschenmann (München).
Klar ist, dass mit einer solchen Zeitschrift kein Vermögen zu gewinnen ist. Und es ist auch mehr die Freude an der puren Existenz und die Überzeugung von der Wichtigkeit eines Sprachrohrs, das unserem Fach für das Nachdenken über Konzepte, Methode, Fachbestimmungen und für Diskussionen über die vielen Probleme der Musikpädagogik zur Verfügung stehen sollte, die die „Diskussion Musikpädagogik“ am Leben erhält.
Dass am Anfang viele Kolleginnen und Kollegen die Mitarbeit verweigerten, war vermutlich dem fraglichen Ruf der Herausgeber geschuldet.  Ich aber war so ehrgeizig, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen zur Mitarbeit zu gewinnen, dass bis auf sehr wenige alle zumindest schon einmal ihren Namen als Autorinnen und Autoren auf den jeweils 64 Seiten gefunden haben. Besonders freue ich mich, dass die jüngeren und jungen Kollegen sich nicht lange bitten lassen. Das Herausgeberteam ist stets bereit, möglichst alle zu Wort kommen zu lassen – im Rahmen unserer Themen, mit freien Beiträgen oder im Magazin. Hierzu gehört auch, dass das Doktorandennetzwerk sich neben dem Internet gerne unserer Möglichkeiten der Veröffentlichung bedient.
So schwierig es ist, die Sprachbarrieren zu überwinden, welche die internationale Musikpädagogik für unsere Zeitschrift das Leben schwer macht, so ist andererseits erfreulich, dass sich englischsprachige abstracts als Norm etabliert haben, und dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern Beiträge bei uns veröffentlichen.
Ein Problem allerdings belastet unsere Zeitschrift: An welche Musikpädagogen sollen wir uns mit unseren Beiträgen wenden? Die große Zahl der praktizierenden Musiklehrerinnen und Musiklehrer für unsere Themen und Diskussionen zu interessieren, will nur bedingt gelingen. Der international strenge Maßstab, der an wissenschaftliche Texte zu legen ist, schreckt viele von der Lektüre ab und ist häufig wohl auch praxisfremd.  Diese Unsicherheit – einmal davon abgesehen, dass die Normen der Wissenschaftlichkeit sich häufig zu Sprachspielen verselbständigen – erlebe ich immer wieder als einen schwankenden Balanceakt, bei dem ich Sorge habe, manche Interessen und Gruppierungen unseres Faches zu verärgern, zu langweilen oder zu enttäuschen. Diese Unsicherheit ist der Grund dafür, dass die sprachliche und „denkerische“ Ausrichtung der Beiträge unterschiedlich ausfällt. Mein Ziel ist es, zwischen den „Praktikern“ und den „Theoretikern“ des Faches zu vermitteln und auch zwischen wissenschaftlich erörterten Fragen und ihrer Hinwendung zur praktischen Anwendung. Mich tröstet die Altersweisheit von Heimito von Doderer, der (sinngemäß) geschrieben hat: Wissenschaftlich ist notwendig und wichtig, aber gelegentlich sollte man auch vernünftig miteinander reden.
Seltsam ist es, dass „Diskussion Musikpädagogik“ von den „Alten“ des Faches betreut wird. Zum Glück sind aber immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen bereit, sich an der inhaltlichen Gestaltung der Ausgaben zu beteiligen.

 

Christoph Richter

DMP 50: DMP 50

Artikelnummer: DMP-Heft-50
13,40 €Preis
inkl. MwSt. |
  • Das Wort zum zweiten Quartal

    • Christoph Richter
      Schule: Kriegsschauplatz oder Bildungseinrichtung?
      Das Wort zum zweiten Quartal

    DMP 50

    • Ursula Brandstätter
      Wieviel Theorie braucht die Musikpädagogik?
      Einige grundsätzliche Überlegungen zum Jubiläumsheft der Zeitschrift „DMP“
    • Clemens Kühn
      Was wäre gewesen, wenn ...
      Hildegard Junker zu Ehren
    • Ulrich Mahlert
      Sich selbst auf die Spur kommen
      Musikpädagogische Schlüsselerfahrungen und Selbstreflexionen
    • Kaspar H. Spinner
      Vortragen von Texten als Klang- und Rhythmuserfahrung
    • Johannes Kirschenmann
      Signatur und Habitus
      Ein kulturrekonstruktiver Vorschlag für die Musik- und Kunstpädagogik
    • Wolfgang Martin Stroh
      New Creativity als Verrat am kreativen Schüler
    • Wilfried Gruhn
      Sozialismus und Judentum
      Grundlagen des kulturpolitischen Denkens bei Leo Kestenberg
    • Ernst Klaus Schneider
      Kunstanspruch und die Musikvermittlung in Konzerten

    Freie Beiträge

    • Christoph Louven
      Mehrjähriges Klassenmusizieren und seine Auswirkungenauf die „Offenohrigkeit“ bei Grundschulkindern
      Eine Langzeitstudie
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