Liebe Leser*innen,
das vorliegende Heft schließt thematisch an das vorhergehende an: Während sich das letzte Heft der Gestaltung von Musikunterricht in der Schule widmete, richtet sich der Blick nun auf den Unterricht für zukünftige Musiklehrer*innen, auf die Gestaltung von Hochschulseminaren.
In Hochschulen bilden Studienordnungen die Grundlage für die Planung und Durchführung von Seminaren. Innerhalb dieses Rahmens genießen Lehrende die im Grundgesetz verankerte akademische Freiheit, die auch die Freiheit der Lehre umfasst: Hochschullehrende sind frei in der Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen.
Ein wesentlicher Aspekt, der dabei immer im Blick sein sollte, ist die Einsicht, dass Lehramtsstudierende in Hochschulseminaren nicht nur das lernen, was vermittelt wird, sondern auch, wie es vermittelt wird. In diesem Sinne zeigt musikpädagogische Hochschullehre idealerweise Wege auf, wie später auch in der Schule unterrichtet werden kann.
Bei der Gestaltung von Hochschulseminaren grundsätzlich zu bedenken ist zudem die Frage nach den Rollen und dem Miteinander der verschiedenen Beteiligten: Ein Gedanke, der mehrere Beiträge dieses Heftes verbindet, betrifft das Anliegen, Studierende an der Gestaltung der Lehre unmittelbar partizipieren zu lassen, sie aktiv in die Planung, Durchführung und Reflexion einzubeziehen.
Der Grundsatzartikel von Martina Krause-Benz geht von den Erfahrungen aus, die während der Corona-Pandemie mit digitalen Lehrformaten gesammelt wurden. Die Autorin fragt, ob die fehlende physische Anwesenheit in der digitalen Lehre verhindere, dass bildungswirksame Momente der Verunsicherung und Irritation entstehen. Sie schlägt vor, die Kategorie der „Liveness“ zu erweitern, sodass sie nicht nur die „reale“, sondern auch eine „imaginäre leibliche Ko-Präsenz“ umfasst.
Der Text von Lukas Bugiel berichtet von einer Lehrveranstaltung, die aus musikpädagogischer Perspektive in philosophisches Denken und Forschen einführen sollte. Gestützt auf ausführliches Lehrmaterial zeigt er mögliche Wege auf, mit Studierenden das Argumentieren und Analysieren zu üben, sodass sie in die Lage versetzt werden, ein philosophisches musikpädagogisches Essay zu verfassen.
Johannes Eifler, Isolde Malmberg und Klara Pelz stellen die Methode „Zukunftswerkstatt“ vor. Erprobt wurde diese Methode in einem Masterseminar an der Universität Potsdam, in dem die Studierenden ein Konzept für die geplante Universitätsschule erarbeiteten. Die Autor*innen zeigen, welches Potenzial entsteht, wenn Studierende weitreichende Verantwortung für die Seminargestaltung übernehmen.
Ausgehend von einem Projekt, in dem Studierende im Rahmen eines musikpädagogischen Seminars gemeinsam mit Schüler*innen selbst geschriebene Songs produzierten, gehen Daniela Bartels und Felix Theuner der Frage nach, wie es gelingen kann, dass alle Beteiligten „auf Augenhöhe“ interagieren. Dabei thematisieren sie insbesondere das Potenzial eines „dialogischen Lernens“ sowie die politische Dimension eines Lernens „auf Augenhöhe“.
Anselm Vollprecht beschreibt ein regelmäßig an der HMT Leipzig durchgeführtes Seminar, in dem es darum geht, dass die Studierenden „erfüllte Bandpraxis“ sowohl selbst erfahren als auch anderen Studierenden ermöglichen sollen. In einem informellen Lernsetting erproben sie das Spielen in einer Band zunächst selbst, bevor sie im folgenden Semester die Rolle von „Ermöglicher*innen“ übernehmen, in der sie ihrerseits erfülltes Musizieren initiieren und den Prozess begleiten.
Sebastian Burton stellt in seinem Beitrag das an der hmt Rostock ebenfalls regelmäßig stattfindende Seminar „Angewandtes Arrangement“ vor: Die Studierenden üben, Arrangements zu erstellen, die den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Zielgruppe entsprechen, und erproben den Prozess des Einstudierens in der Praxis.
Den Thementeil schließt der Beitrag von Oliver Krämer ab. Er berichtet von einem Seminar, in das kontinuierliche Komponierübungen integriert waren. Gegenstand war das Werk von Dmitri Schostakowitsch. Das Komponieren der Studierenden verfolgte dabei nicht das Ziel der Entwicklung und Förderung von Kreativität, sondern hatte den Zweck, der Musik Schostakowitschs durch eigenes kompositorisches Handeln näher zu kommen, um sie aus unmittelbarer Beteiligung heraus besser zu verstehen.
Der freie Heftbeitrag von Johannes Voit präsentiert die Ergebnisse einer Untersuchung zum Komponieren mit Schüler*innen. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern Kompositionsaufgaben mit geringen Vorgaben (etwa zur Stilistik) es den Schüler*innen ermöglichen, ihre Vorerfahrungen aus eigenen musikalischen Praxen in den Kompositionsprozess einzubringen.
Manchen Leser*innen mag auffallen, dass im Heft ein Veranstaltungsformat nicht thematisiert wird: das hochschulübergreifende Seminar der AG Schulmusik, das ja eine besondere Errungenschaft unseres Faches darstellt. Es bringt seit 1995 Lehramtsstudierende unterschiedlicher Musikhochschulen unter der Leitung eines Dozent*innenteams zusammen. Dieses Thema ist Bestandteil einer umfangreichen Studie mit dem Arbeitstitel AG Schulmusik. Geschichte und Arbeit einer musikpädagogischen „Institution“. Die Autoren Ortwin Nimczik und Hans-Ulrich Schäfer-Lembeck werden ihre Forschungsergebnisse im kommenden Frühjahr in einem Sonderband von DMP vorlegen.
Rebekka Hüttmann, Oliver Krämer, Annette Ziegenmeyer
DMP 91: Gestaltung von Hochschulseminaren
Gestaltung von Hochschulseminaren
- Martina Krause-Benz
Gedanken zum Bildungspotenzial digitaler Hochschullehrveranstaltungen im Fach Musikpädagogik - Lukas Bugiel
Einführung in philosophische musikpädagogische Forschung
In Erinnerung an Hermann-Josef Kaiser - Johannes Eifler & Isolde Malmberg & Klara Pelz
Zukunftswerkstätten
Keimzellen für Zukunftsfähigkeit und Orte studentischer Verantwortungsübernahme - Daniela Bartels & Felix Theuner
Musikpädagogik „auf Augenhöhe“
Ein Plädoyer - Anselm Vollprecht
Bandpraxis erfahren und ermöglichen
Versuchsraum für erfüllte Schulmusik - Sebastian Burton
Praxisorientierte Hochschullehre
am Beispiel des Seminars „Angewandtes Arrangement“ - Oliver Krämer
Komponierübungen als seminarbegleitender Handlungsstrang
Analytische Annäherung an Musik über differenzielles Gestalten
Freie Beiträge
- Johannes Voit
E-Gitarre, Geige oder DAW?
Empirische Erkenntnisse zur Einbeziehung musikalischer Praxen durch Schüler*innen beim Komponieren im Musikunterricht
- Martina Krause-Benz